Über Trauerrituale am anderen Ende der Welt.

nature

…geschrieben aus Mercedes‘ Perspektive

Auch wenn es sich im Hinblick auf unsere Reise ein bisschen so anfühlt, als wäre die Zeit stehen geblieben, kann einen dann die Realität schneller einholen als einem lieb ist.

Leider ist vor knapp drei Wochen meine Großmutter verstorben. Obwohl sie in den letzten Jahren unter einer zunehmenden Altersdemenz litt und mich vor der Abreise kaum mehr erkannt hat, kam ihr Tod letztendlich doch recht plötzlich.

Danke, Covid-19: Rückreise zum Begräbnis nicht möglich

Was bedeutet das nun, wenn man am anderen Ende der Welt sitzt, sich nicht mehr persönlich verabschieden und auch nicht bei der Familie sein kann in diesen traurigen Stunden?

Der erste Gedanke war natürlich der, in den Flieger zu steigen und heimzufliegen, um zumindest am Begräbnis teilnehmen zu können. Nach genauerem Hinsehen: Keine gute Idee in Zeiten von Corona. Selbst wenn wir einen solch schnellen Flug nach Österreich bekommen hätten (und dieser auch ohne kurzfristige Stornierung stattgefunden hätt‘), wären wir nach aktueller Regelung in Österreich trotz negativem PCR-Test erstmal verpflichtend in Quarantäne gesessen. Jö, dann wird es zeitlich schon eng. Eventuell werden Ausnahmeregelungen für solch Ereignisse wie ein Begräbnis gemacht, aber wie sicher ist das in Zeiten wie diesen, wo sich gefühlt täglich die Maßnahmen ändern?

Und finales Argument: Wir wären schlicht und ergreifend nicht mehr zurück nach Bali gekommen. In diese Richtung ist die Grenze nach wie vor zu und das wird sich auch so schnell nicht ändern.

Vor Corona war für mich eigentlich klar – bei einem Todesfall wird die Reise unterbrochen und man fliegt nach Hause, um mit der Familie zusammen zu trauern. Aber so, wie die Lage derzeit ist, muss man das tatsächlich sorgfältig durchdenken und die Konsequenzen abwägen.

Teil des Begräbnisses sein – ohne physische Anwesenheit

Die Familie war sich sicherer in der Entscheidung, dass wir auf Bali bleiben, als ich mir selbst. Am Ende des Tages war mir allerdings auch klar, dass sie recht haben: Wir können zuhause gerade nicht mehr machen, als auf Bali – reden, reden, weinen, reden.

Ich habe mich also mehrere Male via Skype und Whatsapp mit meinen Liebsten ausgetauscht, dabei viele Erinnerungen an Oma Revue passieren lassen und man hat uns in die Planung des Begräbnisses auch über die Entfernung hinweg integriert. Und meine Schwester las letztendlich den Brief, den ich für Oma zum Abschied geschrieben habe, bei der Verabschiedung vor. Unendlich viel Dank dafür!

…und schließlich Abschied nehmen auf ganz individuelle Art

Ich weiß nicht erst seit meiner psychologischen Tätigkeit in der Krisenintervention wie wichtig es ist, persönliche Rituale zu finden um sich von geliebten Menschen zu verabschieden.

Da kam es doch gerade zur rechten Zeit, dass zwei Freunde uns gefragt haben, ob wir uns nicht an der Käsebestellung beteiligen wollen. Käse – vor allem guter Käse! – ist auf Bali nicht nur teuer, sondern auch gar nicht so leicht zu bekommen, da dies im asiatischen Raum einfach kaum gegessen wird. Zuhause sind wir beide durchaus Käsetiger, und gerade in meiner Familie war es üblich, hin und wieder abends bei einem Gläschen Wein noch ein bisschen fein geschnippelten Käse zu schmausen.

Na wenn das nicht der richtige Zeitpunkt ist, sich etwas zu gönnen und damit die Erinnerungen an früher mit vertrautem Flair zu begleiten! Also haben wir Käse bestellt. Eigentlich total absurd hier in Indonesien. Aber: Es gibt im Süden der Insel einen Unternehmer, welcher bei seinen Reisen durch Bali Einheimische getroffen hat, welche Käse nach europäischem Rezept herstellen – und diesen vertreibt er nun und liefert auf Bestellung in alle Ecken Balis. Wie großartig!

Es war ein Abend voll mit Erinnerungen, intensiven Gesprächen, aber auch viel Lachen und Käselobpreisen. Die richtige Mischung aus Andenken und Ablenkung, als die Gefühle von Verlust sich noch unsortiert tief und schmerzhaft in meinem Bauch festgekrallt hatten.

Ein herzliches Danke dafür an Heike und Gokong, die dieses gemeinsame Ritual möglich gemacht und mit uns geteilt haben.

Cheese on Bali

Es hat schließlich aber noch ein paar weitere Tage gedauert, bis konkrete Worte des Abschieds schließlich ihren Weg aus mir heraus gefunden haben. Der daraus resultierende, bereits erwähnte Brief an Oma ist letztlich meine ganz intime Art gewesen, meine Erinnerungen und Gedanken an sie nochmal zu ver-wort-lichen, mit allem Vergangenem abzuschließen und ihr so Frieden und Ruhe zu wünschen. Diesen Brief werden wir in eine Glasflasche stecken, diese mit Sand füllen, um dann bei nächster Gelegenheit mit einem Boot zum Sonnenuntergang auf’s Meer hinauszufahren und ein letztes Mal Lebewohl zu sagen.


…danke, liebe Oma <3 Wir denken an dich und trinken eine Kokosnuss auf dich – das hätte dir sicher gefallen 😉

coconut ant Mt. Agung

(in loving memory of Mercedes‘ grandmother: 26.02.1936 – 21.07.2020)

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